Ronja Gaulinger, M.Sc.

Partizipative Governance als Katalysator für resiliente Destinationen – Entwicklung eines Sensitivitätsmodells zur Analyse touristischer Steuerungsnetzwerke am Beispiel Sankt Peter-Ording

Promotionsvorhaben: Partizipative Governance als Katalysator für resiliente Destinationen – Entwicklung eines Sensitivitätsmodells zur Analyse touristischer Steuerungsnetzwerke am Beispiel Sankt Peter-Ording

Angesichts wachsender ökologischer Herausforderungen, sozialräumlicher Spannungen und institutioneller Fragmentierung geraten etablierte Steuerungsmodelle in touristischen Destinationen zunehmend an ihre Grenzen. Insbesondere Küstendestinationen stehen exemplarisch für diese Problemlagen: Sie sind zugleich touristischer Wirtschaftsraum, naturräumliches Schutzgebiet und alltäglicher Lebensraum – und somit durch vielfältige, häufig konfligierende Interessen geprägt. In diesem Kontext wird die Partizipation unterschiedlicher Akteursgruppen in touristischen Entscheidungsprozessen nicht lediglich ein ergänzendes Instrument, sondern als notwendige Voraussetzung für die Entwicklung resilienter Destinationen verstanden.

Vor diesem Hintergrund untersucht das Promotionsvorhaben, wie eine solche resilienzorientierte und zukunftsfähige Destinationsentwicklung durch partizipative Governance-Strukturen konkret realisiert werden kann.

Ausgehend von einem multiperspektivischen Theorieansatz – bestehend aus systemtheoretischen, raumsoziologischen und handlungstheoretischen Zugängen – erfolgt die empirische Untersuchung am Fallbeispiel der touristisch hoch frequentierten Gemeinde Sankt Peter-Ording an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins.

Die qualitative Studie basiert auf halbstrukturierten Interviews mit zentralen Akteur:innen aus Tourismus, Verwaltung, Umwelt und Zivilgesellschaft. Zur systematischen Auswertung kommt eine Soziale Netzwerkanalyse (SNA) zum Einsatz, wobei quantitative SNA-Metriken herangezogen werden, um zentrale Akteurskonstellationen, Machtverhältnisse, Vermittlungsrollen, Ausschlüsse und Kooperationsstrukturen innerhalb des Governance-Netzwerks zu rekonstruieren und sichtbar zu machen. Die qualitative Auswertung der Interviewdaten ergänzt diese strukturellen Analysen um narrative Deutungen, Legitimitätswahrnehmungen und symbolische Raumzuschreibungen.

Die Ergebnisse werden mit einem auf Basis der theoretischen Fundierung entwickelten idealtypischen Modell partizipativer Resilienz kontrastiert, um Wirkmechanismen, strukturelle Kooperationspotenziale sowie institutionelle und kommunikative Barrieren in Governance-Netzwerken sichtbar und systematisch bewertbar zu machen.

Auf dieser Grundlage entsteht ein praxisnahes Sensitivitätsmodell, das als strategisches Diagnose- und Steuerungsinstrument in komplexen touristischen Kontexten dienen kann. Es richtet sich insbesondere an Destination Management Organisationen (DMOs), politische Entscheidungsträger:innen und regionale Akteursnetzwerke, die partizipative Prozesse nicht nur legitimierend, sondern als strategische Ressource zur Förderung kollektiver Lernfähigkeit, lokaler Akzeptanz und langfristiger Resilienz begreifen wollen.

Für die methodisch-konzeptionelle Innovationskraft und wissenschaftlich-praktische Relevanz wurde das Projekt 2025 mit dem Boeing Travel Research Grant der Travel and Tourism Research Association (TTRA) ausgezeichnet.

Die Dissertation wird als Monografie an der Europa-Universität Flensburg in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Tourismusforschung unter Erstbetreuung von Prof. Dr. Bernd Eisenstein durchgeführt.